Praxisbeispiele aus Baden-Württemberg



Die innovativen Unternehmen der baden-württembergischen Wirtschaft und die Forschungseinrichtungen tragen mit ihren Ideen und Produkten zur Umsetzung der Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg bei. In diesem Abschnitt stellen wir innovative Praxis-Beispiele aus Baden-Württemberg vor.

Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf & Tecnaro GmbH - Garnrolle
Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf & Tecnaro GmbH - Garnrolle

"Textilbeschichtung aus Lignin für nachhaltige Geotextilien"

Die Projektpartner haben ein Beschichtungssystem für Naturfasern auf Basis des Nebenstroms Lignin entwickelt. Die Schutzschicht verlangsamt den biologischen Abbau der Faser. Aus den so beschichteten Naturfasern können zukünftig biobasierte Geotextilien hergestellt werden. Das Besondere: Diese innovativen Materialien können für einen definierten Zeitraum ihre stabilisierende Funktion im Boden erfüllen, aber nach ihrem Nutzungszyklus in den biologischen Kreislauf zurückfließen. Ein Eintrag von Kunststoff in die Ökosysteme durch herkömmliche Geotextilien kann dadurch wirksam vermieden werden.
Eingesetzt werden Baumwollgarne, die mit thermoplastischem Lignin beschichtet werden. Hierdurch lässt sich die Lebensdauer von solchen Textilien verlängern. Dank der einstellbaren Schutzschicht können die Geotextilien in definierten Nutzungszeiten ihre Funktion erfüllen und werden anschließend im Boden biologisch abgebaut. Damit eignet sich diese Entwicklung für viele Geotextilien mit der Anwendung im Hoch- und Tiefbau, als Stabilisierungs- und Bewehrungsmaterial bis hin zu landwirtschaftlichen Zwecken.

Gewinnerinnen des Bioökonomie-Innovationspreises 2024 des Landes Baden-Württemberg.

Badische Peptide und Proteine GmbH - Labor
Badische Peptide und Proteine GmbH

"Better Peptides Platform: Neue Ansätze für die Herstellung von Peptiden"

Die Badische Peptide und Proteine GmbH hat ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, um Peptide umweltfreundlicher, in großem Maßstab und kosteneffizienter herzustellen. Der Ansatz des Unternehmens nimmt die Natur zum Vorbild und könnte damit dazu beitragen, dass bessere und günstigere Peptidprodukte über den Grammmaßstab hinaus hergestellt werden können.

Bei der Produktion kommen alltägliche, erneuerbare Ausgangsstoffe zum Einsatz; vereinfacht ausgedrückt handelt es sich hierbei um Kernseife und Speisestärke. Dadurch können große Mengen an Peptiden so günstig hergestellt werden, dass diese beispielsweise für den Einsatz in der Landwirtschaft erschwinglich werden.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2023 des Landes Baden-Württemberg.

Ventilator nach Vorbild Eulenflügel
Ziehl-Abegg SE, Künzelsau

Ein Ventilator nach dem Vorbild des Eulenflügels

Der nahezu geräuschlose Flug der Eule inspirierte die Entwickler bei der Gestaltung ihres Ventilators. Sie übertrugen die Eigenschaften des Eulenflügels in eine technische Anwendung (Bionik). So entstand die charakteristische Hinterkante der Ventilatorenflügel.
Diese reduziert das Betriebsgeräusch des Ventilators erheblich und wurde zu einem Markenzeichen des Unternehmens Ziehl-Abegg SE. Die Ventilatoren werden in Heizungsanlagen, der Kältetechnik, Wärmepumpen und zur Elektronikkühlung eingesetzt.
Das Beispiel zeigt das große Potential der Bionik für innovative Produktlösungen, einem Kernelement der Bioökonomie.

Ausgezeichnet beim Umwelttechnikpreis Baden-Württemberg.

Bodensee-Stiftung
Bodensee-Stiftung

"Sauberes Wasser mit Nachwachsenden Rohstoffen"

In einem Verbundprojekt wurde ein mehrstufiges Verfahren entwickelt, um aus faserigen Landschaftspflegematerial Aktivkohle herzustellen. 
Die Biomasse wird zunächst zerkleinert und mit warmem Wasser behandelt. Anschließend wird die Biomasse mechanisch entwässert. Der Presssaft kann zur Herstellung von Biogas verwendet werden. Der entwässerte Presskuchen wird unter Sauerstoffabschluss zu Pflanzenkohle pyrolysiert. Anschließend wird die Pflanzenkohle durch eine Teiloxidation zu Aktivkohle umgewandelt. Die benötigte Prozessenergie wird größtenteils aus dem anfallenden Pyrolysegas gewonnen. Nach Verwendung der Aktivkohle kann sie mit dem Klärschlamm entnommen und thermisch verwertet werden.

Mit der Herstellung von biobasierter Aktivkohle kann neben dem Ersatz von fossilen und importierten Rohstoffen auch indirekt ein Beitrag zum Erhalt der Biodiversität geleistet werden, indem Verwertungsoptionen für Landschaftspflegematerial oder Straßenbegleitgrün geschaffen werden. Auf diese Weise können regional anfallende biogene Nebenströme einer hochwertigen Nutzung zugeführt und damit Wertschöpfung generiert werden.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2023 des Landes Baden-Württemberg.

Gebäude nach Vorbild Nebeltrinker-Käfer
Sto SE & Co. KGaA, Stühlingen

Lernen von der Natur

Der Nebeltrinker-Käfer lebt in der Namibwüste und hat eine besondere Überlebensstrategie entwickelt: Er ist in der Lage Tautropfen zu sammeln und diese über die spezielle Oberflächenbeschaffenheit seines Panzers gezielt zu seinem Maul zu leiten. Diese Eigenschaft machte sich das Unternehmen Sto SE & Co. KGaA zu eigen und entwickelte eine Fassadenfarbe, die gezielt Wasser ableiten kann.

Die Fassaden trocknen nicht nur in Rekordzeit, vielmehr bleibt die Fassade und der Wandaufbau langfristig trocken. Pilze und Algen haben hier wenig Chancen. Auf diese Weise wird auch der Einsatz von bioziden Filmschutzmitteln vermieden, ein weiterer Vorteil gegenüber herkömmlichen Fassadenanstrichen. 
Ein Hauptziel in der Bioökonomie ist es durch die Anwendung biologischen Wissens innovative Produkte mit einem Mehrwert gegenüber ihren bereits vorhandenen Pendants zu fördern, genau wie die bionische Fassadenfarbe.

Ausgezeichnet beim Umwelttechnikpreis Baden-Württemberg.

CROP Production Robotics
CROP Production Robotics

Drohnen-Sprühkit basierend auf einer Rotationsdüse für Precision Farming-Anwendungen

Das Start-up Crop Production Robotics entwickelt ein 3D-Kamerasystem, welches eine zielflächenscharfe Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit einem kommerziellen unbemannten Luftsprühsystem (Sprühdrohne) ermöglicht. Grundlage dafür sind Rotationsdüsen, mit denen die Tröpfchengröße eingestellt und flexibel angepasst werden kann. In Verbindung mit optischen Sensoren und smarter Software zur Schätzung von Pflanzenparametern können die Wirkstoffe auf Grundlage des Pflanzenzustands zielgerichtet ausgebracht werden. Die zunächst angestrebten Anwendungen sind Herbizide, Fungizide und Wachstumsregulatoren im Wein-, Weizen- und Maisanbau.

Das Start-up plant diesen Ansatz als Dienstleistung für Landwirte anzubieten („spray-as-a-service“). Diese Dienstleistung könnte insbesondere für kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe interessant sein und dabei helfen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf die zu behandelnden Zielorganismen zu beschränken und insgesamt weiter zu reduzieren.

Gewinner des Bioökonomie-Innovationspreises 2023 des Landes Baden-Württemberg.

PeePower Toilette bei Großveranstaltung
PeePower Toilette

Urin als Ressource (PeePower)

Jeder Mensch scheidet täglich bis zu zwei Liter Urin aus. Im Altertum nutzten die Menschen Urin bereits wirtschaftlich, woher die Redewendung „Geld stinkt nicht“ herrührt. Den meisten Leuten ist heute nicht mehr bewusst, dass urinhaltiges Abwasser für inzwischen entwickelte biologische Hightech-Verfahren eine hochwertige Rohstoffquelle darstellt.

Im Projekt „PeePower BUGA 2023“ setzen das Engler-Bunte-Institut (EBI) und die Technische Universität Hamburg das Verfahren der mikrobiellen Elektrolyse ein um in einem speziellen Reaktor aus Urin mit Hilfe von Mikroorganismen Wasserstoff zu gewinnen. Dieser wird für das Demonstrationsprojekt auf der BUGA 2023 über eine Brennstoffzelle in elektrische Energie umgewandelt, welche dem Publikum in Form einer Smartphone-Ladestation zur Verfügung gestellt wird. Dieses Demonstrationsprojekt zeigt die innovativen Ansätze und Verfahren der Bioökonomie, man kann Strom zum Laden des eigenen Handys oder die Beleuchtung der Toilette an abgelegenen Orten beim Toilettengang erzeugen und einen Beitrag zur Ressourcenschonung und -versorgung oder zur Sicherheit leisten.

Karuun GmbH
Karuun GmbH

Ein bioökonomisches Material für Mensch und Natur: Nutzung von Rattan zum Erhalt des Regenwaldes

Die karuun GmbH hat den Rohstoff Rattan neu interpretiert. Mit einer energieeffizienten Technologie wird die natürliche Struktur der Rattanpalme zu einem weltweit einzigartigen Nature Tech Material, das nicht nur nachhaltig, sondern auch wirtschaftlich ist.
Mit geringstem Energieaufwand ist es möglich licht- und UV-stabile Farbpigmente in die Kapillaren der geschälten Rattanstange zu injizieren. Anschließend wird die Stange quadratisch gefräst und die so entstandenen Kantlinge zu Platten verleimt und zu Blöcken gepresst. Je nach Schnittrichtung zur Faser ergeben sich verschiedene Materialeigenschaften mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten: So können einerseits robuste und verformbare Werkstoffe, andererseits aber auch licht- und luftdurchlässige Produkte hergestellt werden. 
Als ein schnell nachwachsender Rohstoff wächst Rattan wie eine Liane von Baum zu Baum und wird von lokalen Bauern umweltfreundlich per Hand geerntet. Die Nachhaltigkeit der Wertschöpfungskette ist durch eine Lebenszyklusanalyse („life cycle analysis“, kurz LCA) zertifiziert und die Rückverfolgbarkeit durch eine App möglich. Das Unternehmen ist vor Ort in Indonesien aktiv. Durch den Kauf und die Verwendung von Rattan für karuun® erhöht das Unternehmen den Stellenwert von Tropenwäldern, schafft ein langfristig stabiles Einkommen für die Bauern und dadurch einen Anreiz zum Erhalt der Waldressourcen.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2023 des Landes Baden-Württemberg.

LBV Raiffeisen eG & Schwäbische Wurst-Spezialitäten Nothwang GmbH & Co. KG
LBV Raiffeisen eG & Schwäbische Wurst-Spezialitäten Nothwang GmbH & Co. KG

Agrikultur und Kulinarik, Bioökonomie die funktioniert. Neue Marke für proteinreiche Aufstriche und Salate aus Baden-Württembergischen Kichererbsen

Zwei führende Unternehmen der Region haben die Chancen erkannt, die der Anbau und die zielgruppenspezifische Vermarktung regionaler Kichererbsen bietet: Ganzheitlich, regional und auf den Verbraucher ausgerichtet. 

Im Rahmen des Projektes CICERO ergriffen die LBV Raiffeisen eG und die Schwäbische Wurst-Spezialitäten Nothwang GmbH die Initiative und entwickelten vom Anbau über die Rezepturentwicklung bis hin zum Marketingkonzept Salate und Aufstriche auf der Basis von Kichererbsen. Dabei war die LBV Raiffeisen eG für den landwirtschaftlichen Teil und die Schwäbische Wurst-Spezialitäten Nothwang GmbH für die Produktion und Vermarktung verantwortlich. Durch die Partnerschaft wurde die gesamte Wertschöpfungskette rund um die Kichererbse vom Erzeuger bis zum Verbraucher in den Blick genommen. Auf diese Weise konnten vielfältige Erfahrungen für die Optimierung des Anbaus gesammelt werden. Insbesondere was den richtigen Erntezeitpunkt und die schonende Weiterverarbeitung angeht. Mit „Lecker ohne Fleisch“ entstand eine moderne Lebensmittelmarke mit zunächst sieben hochwertig rezeptierten Aufstrichen und Salaten. Vom Kichererbsen-Salat bis zum Süßkartoffel-Aufstrich.

Gewinner des Bioökonomie-Innovationspreises 2023 des Landes Baden-Württemberg.

Innovation Matters - Ernteroboter mit Safranblüte
PREFIRO (ehemals Innovation Matters GbR)

SafranMatters: Wir bringen Robotik aufs Feld!
Die Vision des Start-Ups PREFIRO (ehemals Innovation Matters GbR) ist es, landwirtschaftliche Prozesse, die mit viel Handarbeit verbunden sind, mithilfe von Robotik effizienter, nachhaltiger und wirtschaftlicher zu gestalten. Safran ist eines der wertvollsten Gewürze und wird zum Großteil importiert.Safran lässt sich auch regional im Süden Deutschlands anbauen. PREFIRO zielt mit ‚SafranMatters‘ auf einen ganzheitlichen Ansatz ab. Ihr Konzept umfasst die Bepflanzung, Pflege und Ernte.

Der Prototyp der Erntemaschine ‚Oscar‘ erkennt Safranblüten automatisch. Der Schneidkopf wird zur Position gefahren und trennt die Safranblüte ab, welche dann in den Erntetank befördert wird. Die elektrisch angetriebene Fahreinheit ermöglicht eine hohe Wendigkeit und einen geringen Energieverbrauch. Unter Verwendung mehrerer Robotereinheiten lässt sich die Ernterate auf beliebige Anbauflächen skalieren. Oscar soll es künftig jedem Landwirt ermöglichen, Safran im kleinen oder großen Stil gewinnbringend anzubauen. Somit können Endkunden ein faires, regionales und dennoch exotisches Gewürz zu erwerben. Als nächstes werden das Design optimiert und neue Funktionalitäten implementiert. So soll beispielsweise eine Datenerhebung für individuelle Pflanzen eingeführt werden und damit langfristig eine Anwendung über den Safran Anbau hinaus ermöglichen.

Gewinner des Bioökonomie-Innovationspreises 2022 des Landes Baden-Württemberg.

Kleinblatt GmbH - Züchtung von Sprossen und Pilzen
Kleinblatt GmbH

Nutzungskaskade bei der urbanen Lebensmittelproduktion mit Keimlingen und Gourmet-Pilzen

Die Lebensmittelproduktion und Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung steht vor vielfältigen Herausforderungen. Die begrenzten Ressourcen müssen effizient genutzt werden, daher sollten auch Reststoffe bestmöglich verwertet werden. Weite Transportwege sind oft mit hohem Energieverbrauch und Umwelteinflüssen verbunden. Insbesondere bei frischen, leicht verderblichen Gütern bergen sie zudem das Risiko von Lebensmittelverlusten. Intelligente, regionale Konzepte sind hier im Vorteil.

Die Geschäftsidee der Kleinblatt GmbH ist die wetterunabhängige, ganzjährige Produktion von frischen Keimlingen, wie bspw. Radieschen, und Gourmet-Pilzen mit hoher ernährungsphysiologischer Qualität für Stuttgarter Gastronomen. Dazu produziert Kleinblatt nach dem Controlled Enviroment Agriculture (CEA) Konzept in Räumen im Stadtgebiet Stuttgart. Zum Anbau der Keimlinge wird Nutzhanf als Substrat genutzt. Die dabei anfallenden Produktionsreste des Substrats dienen als Grundlage für den Anbau von Gourmet-Pilzen. Die Speisepilze werden direkt an lokal ansässige Gastronomen verkauft, sodass regionale Wertschöpfung und kurze Lieferketten entstehen. Somit trägt Kleinblatt zu einer regionalen Kreislaufwirtschaft und zur gelebten Bioökonomie bei.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2022 des Landes Baden-Württemberg.

Fibers365 GmbH - Anlage
Fibers365 GmbH

CO2-neutrale Fasern und bio-basierte Polymere aus Einjahrespflanzen

Derzeit werden Einjahrespflanzen, analog zu Holz, meist in großen zentralen Anlagen mittels Chemikalien aufgeschlossen. Dies erfordert einen hohen Energieeinsatz und geht mit chemisch verunreinigten Reststoffströmen einher. Das Steam Explosion Verfahren bietet eine chemikalienfreie Alternative. Auf eine Dampfdruckerhitzung folgt dabei eine explosive Dekompression, um ligno-zellulosehaltiges Material für weitere Verarbeitungsschritte zugänglich zu machen. Technische, betriebliche und wirtschaftliche Herausforderungen haben die dezentrale Faserproduktion aus Einjahrespflanzen bisher eingeschränkt.

Die Fibers365 GmbH verarbeitet Einjahrespflanzen aus regionalem Anbau mit der „Steam-Explosion-Technologie“. Fibers365 produziert damit Fasern aus Stroh und zellulosehaltigen Einjahrespflanzen. Das Konzept sieht eine Kombination von sogenannten modularen „Steam Fiber Units“ mit Biogasanlagen vor. Die bei der Produktion der Fasern entstehenden Reststoffe werden als Gärsubstrat zur Biogas-Erzeugung und zur Energieversorgung des Prozesses verwendet. Die Flüssigphase eignet sich als Substrat für Bioraffinerien, fermentative Prozesse und Biofabriken. Die Neuheit besteht in der technischen Konzeption und der Konstruktion, womit eine dezentrale Steam Explosion im landwirtschaftlichen Umfeld und in Nähe von Biogasanlagen möglich wird. So können überschaubare, regional anfallende Biomassemengen aufgeschlossen und zu transportwürdigen bio-basierten Wertstoffen für die Industrie veredelt werden.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2022 des Landes Baden-Württemberg.

PROSERVATION - Verpackungspolster aus Spelzen
PROSERVATION

‚RECOU‘ - ein ökologisches Verpackungspolstermaterial aus Getreidespelzen

Verpackungsmaterialien wie EPS (Styropor) werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt, nur teilweise rezykliert und können bei der nicht-sachgemäßen Entsorgung als Mikroplastik die Umwelt belasten. Die Herstellung ist zudem energie- und CO2-intensiv. Papierbasierte Verpackungen besitzen nur eingeschränkte Polstereigenschaften. Umweltverträgliche und ressourcenschonende Verpackungsmaterialien sind gefordert, um den großen Bedarf zu decken.

PROSERVATION stellt aus Getreidespelzen, den Deckblättern (Hüllen) des Getreidekorns, formschlüssige Verpackungen her. Diese Spelzen fallen beispielsweise bei der Verarbeitung von Dinkel in großen Mengen an. Zusammen mit einem biologischen Bindemittel entsteht aus diesem Reststoff in wenigen energiearmen Prozessschritten das Verpackungspolstermaterial ‚RECOU‘, welches vollständig aus natürlichen Inhaltsstoffen besteht. RECOU ist beliebig formbar und zeichnet sich durch vergleichbare Materialeigenschaften wie petrochemische Polsterverpackungen (z. B. Styropor) aus. Es stellt somit für viele Anwendungen eine ökologisch sinnvolle Alternative dar. Indem landwirtschaftliche Reststoffe als Verpackungsmaterial verwendet werden, können Energie, Ressourcen und CO2-Emissionen beim Warenversand fragiler Güter eingespart werden.

Gewinner des Bioökonomie-Innovationspreises 2022 des Landes Baden-Württemberg.

Die Ölfreunde - Wertschöpfungskette
Die Ölfreunde

Nachhaltige regionale Produktion hochwertiger Speiseöle sowie Verwertung von Nebenprodukten

Äpfel pressen, Bananenchips herstellen, Sauerkraut stampfen – bereits in jungen Jahren zeigte Paul Belthle großes Interesse an der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln. Mit zwölf Jahren bekam er eine Ölpresse geschenkt. Dies bereitete die Grundlage für ‚Die Ölfreunde‘, welche 2019 im Donautal entstanden. Dabei waren für Paul regionale und nachhaltige Konzepte bereits von Anfang wichtig.

Die Ölfreunde produzieren hochwertige Speiseöle aus den Saaten Raps, Leindotter, Hanf sowie Schwarzkümmel und vermarkten diese selbst. Die Ölsaaten werden von Landwirten aus der unmittelbaren Umgebung bezogen, um den CO2-Fußabdruck gering zu halten. Bei der mechanischen Kaltpressung entstehen nährstoffreiche Presskuchen als Nebenprodukt. Diese werden zu hochwertigen Mehlen und Proteinprodukten für Mensch und Tier weiterverarbeitet. Inzwischen ist das Familienunternehmen im Einzelhandel präsent und plant eine Ausweiterung ihrer Kapazitäten. Zudem beraten ‚Die Ölfreunde‘ Kunden im hauseigenen Hofladen. Paul bietet Führungen durch den Betrieb an, bei denen er die Idee, Intention, Produktion sowie den Vertrieb erklärt. Mit ihrem Konzept werden möglichst nachhaltige und regionale Wertschöpfungs- und Lieferketten gestärkt. ‚Die Ölfreunde‘ sind damit Beispielgeber für junge Gründer und den Aufbau einer kreislauforientierten Bioökonomie.

Gewinner des Bioökonomie-Innovationspreises 2022 des Landes Baden-Württemberg.

Spoontainable - essbare Löffel
Spoontainable GmbH

Eine knusprige und nachhaltige Zukunft

Löffel, Rührstäbchen, Gabeln, Messer: im To-Go Bereich werden diese Produkte täglich in riesigen Stückzahlen genutzt und in der Regel nach nur einmaligem Gebrauch entsorgt. Hierdurch entsteht eine enorme Menge vermeidbarer Plastikmüll. Das EU-weite Einweg-Plastikverbot zeigt, dass hier ein drastisches Umdenken und zeitgemäße Alternativen notwendig sind.

„Don't waste it, taste it!“ - unter diesem Motto will Spoontainable einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und der Vermeidung von Plastik liefern. Das Unternehmen entwickelt essbare Eislöffel und Rührstäbchen als Alternativen zu herkömmlichen Produkten aus Plastik. Die neuartigen Produkte werden aus bislang wenig genutzten Reststoffströmen der Lebensmittelindustrie hergestellt. Es handelt sich dabei um Hafer- und Kakaoschalen, die bei der Getreide- bzw. der Schokoladenverarbeitung zurückbleiben. Diese ballaststoffreichen Rohstoffe werden zu Fasern verarbeitet und bilden die Basis der Alternativen zum Plastik-Besteck. Somit wird nicht nur Einweg-Plastik vermieden, sondern auch die hochwertige Nutzung von Reststoffen im Sinne der Kreislaufwirtschaft gefördert. Die Produktpalette soll noch erweitert werden und weitere Reststoffströme aus der Lebensmittelindustrie sollen identifiziert und genutzt werden, um die Rohstoffbasis zu erweitern.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2021 des Landes Baden-Württemberg.

ProteinDistillery GmbH (ehemals Saccha GbR)

Nachhaltige und gesunde Lebensmittelversorgung neu denken

Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit besteht darin, die wachsende Bevölkerung zu ernähren und gleichzeitig unseren Planeten zu erhalten. Daher sind effiziente Prozesse und Verfahren gefragt. Gleichzeitig wünschen sich Verbraucherinnen und Verbraucher gesunde, schmackhafte und bezahlbare Lebensmittel. Proteine hergestellt aus Bierhefe zeichnen sich durch ausgezeichnete funktionelle Eigenschaften wie die gute Umsetzung in Muskelmasse, die hervorragende Texturbildung, ein ansprechendes Geschmacksprofil sowie Allergenfreiheit aus. Daher sind sie ein vielversprechender Baustein für zukünftige Ernährungskonzepte.

Das Unternehmen ProteinDistillery (ehemals Saccha) hat einen Prozess entwickelt, mit dem aus Nebenströmen der Bierproduktion Proteine für die Nahrungsmittelindustrie hergestellt werden können. Nach Angaben des Unternehmens wird im Vergleich zur Herstellung von pflanzlichen Proteinen weniger Wasser und weniger Fläche benötigt. Auch der CO2 Ausstoß ist vergleichsweise geringer. Hochrechnungen von ProteinDistillery kommen zu dem Schluss, dass der jährliche Eiweißbedarf von mehr als 6,2 Mio. Menschen alleine mit Proteinen aus Bierhefe aus deutscher Produktion gedeckt werden könnte. Durch dieses Koppelnutzungskonzept bietet sich die Chance, den Flächenbedarf für die Proteinherstellung zu reduzieren.

Ein Teil des weiteren Entwicklungsbedarfs erstreckt sich auf die Skalierung des Prozesses in den Pilotmaßstab sowie die Optimierung der Aufbereitung. Zudem werden Anwendungsmöglichkeiten bzw. Endprodukte unter Verwendung des Bierhefeproteins entwickelt. Es wird erwartet, dass die Rohstoffkosten für die Herstellung von Proteinen aus Bierhefe in Zukunft deutlich unter den heutigen Rohstoffkosten für vergleichbare pflanzliche Proteine, beispielsweise aus Nüssen, bleiben.
Aufbauend auf einer Projektförderung des MLR und einer Gründungsförderung des Landes Baden-Württembergs konnten Investoren gefunden wurden, die den Aufbau einer Produktionsstätte in Heilbronn ermöglichen.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2021 des Landes Baden-Württemberg.

Sprossenschutz
Bernd Schairer UG & Lebenshilfe Zollernalb

Guter Holzweg: Sprossenschützer – für den Wald

Durch den Klimawandel und den damit verbundenen Waldumbau haben Schutzvorrichtungen für junge Waldbäume eine hohe Bedeutung. Der Eintrag von Fremdmaterialien in Waldökosysteme soll dabei möglichst vermieden werden. Konventionelle Schutzvorrichtungen für Jungpflanzen haben daher den Nachteil, dass diese am Ende der Nutzungsdauer wieder eingesammelt und sachgerecht entsorgt werden müssen.

Bernd Schairer hat patentierte „Schutzvorrichtungen“ für junge Forstpflanzen entwickelt, die zu 100% aus heimischem Holz hergestellt werden. Durch den Verzicht auf Metall, Chemie und Kunststoffe entfallen der aufwändige Abbau und die Entsorgung der Materialien. Das Produkt bietet mit seinen Holzstäben und –sprossen einen wirksamen Fege- und Verbissschutz für die Jungpflanzen. Die Fertigung der Sprossenschützer erfolgt vollständig regional in Werkstätten für Menschen mit Behinderung der Lebenshilfe Zollernalb. So wird mithilfe dieser Innovation der Aufbau von naturnahen und stabilen Waldbeständen unterstützt, Fremdstoffeinträge in natürliche Ökosysteme reduziert und regionale Wertschöpfung generiert. Die Sprossenschützer werden zunehmend nachgefragt, sodass in Zukunft nach weiteren regionalen Kooperations- und Fertigungspartnern Ausschau gehalten wird.

Gewinner des Bioökonomie-Innovationspreises 2021 des Landes Baden-Württemberg.

Naturfaserverstärkte biobasierte Kunststoffe für Li-Ionen-Batterie-Gehäuse in der Großserienproduktion
Ansmann AG

Naturfaserverstärkte biobasierte Kunststoffe für Li-Ionen-Batterie-Gehäuse in der Großserienproduktion

Aktuell werden neue Akku-Gehäuse auf Grund geänderter Normen vorwiegend aus Metall gefertigt. Mobile Anwendungen, wie beispielsweise E-Bikes oder E-Autos, profitieren in besonderer Weise von einer Gewichtsreduktion durch den Einsatz alternativer Materialien. Bislang werden primär fossilbasierte Carbonfasern als Leichtbaumaterialien genutzt. Als Alternativen kommen naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) in Frage. Durch ihre geringe Dichte, gute mechanische Eigenschaften, geringe Neigung zum Splittern sowie die vergleichsweise geringen Kosten können diese NFK fossilbasierte Materialien, wie Kohle- oder Glasfaser, ersetzen.

Die Ansmann AG hat, gemeinsam mit Fraunhofer LBF, Batteriesysteme auf Basis naturfaserverstärkter und biobasierter Kunststoffe entwickelt. Unter Einsatz biogener Rohstoffe werden neue biobasierte Verbundwerkstoffe für zahlreiche Anwendungen hergestellt. Die benötigten Faserverbundwerkstoffe (Organobleche) und Formteile durchlaufen einen vollautomatisierten Herstellungsprozess. Somit wird der zentrale Leitgedanke einer effizienten und umweltschonenden Ressourcennutzung unter Vermeidung von Treibhausgasen adressiert. Im nächsten Schritt wird das Herstellungsverfahren weiterentwickelt und hinsichtlich einer Großserienproduktion hochskaliert.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2021 des Landes Baden-Württemberg.

Alpha-Protein
Alpha-Protein GmbH

Bioökonomische Produktionsanlage zur Insektenaufzucht

Die Nutzung von Insekten als nachhaltige Proteinquelle für die Versorgung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung wird nach Meinung von Experten ein Teil der Lösung sein, um in Zukunft mehr Lebensmittel mit einem geringeren Ressourcenverbrauch bereit stellen zu können. Effiziente Verfahren zur Aufzucht und Verwertung von Insekten in der Lebensmittel- als auch Tierfutterindustrie stehen jedoch noch am Anfang. Vergleichbare konventionelle Futtermittel sind außerdem derzeit noch deutlich günstiger am Markt verfügbar.

Das Start-Up Alpha-Protein GmbH hat ein Konzept für eine automatisierte, skalierbare und damit kosteneffiziente industrielle Aufzuchtanlage für Mehlkäfer (Tenebrio molitor) entwickelt. Das Ziel ist es, Insekten als nachhaltige Alternative zu Fischmehl und Soja in großen Mengen sowie zu einem wettbewerbsfähigen Preis am Markt verfügbar zu machen. Die hochgradige Automatisierung der Anlagen sowie die Verwendung von Nebenprodukten aus der Lebensmittelindustrie sollen dies ermöglichen. Kernbestandteil des innovativen Geschäftsmodells von Alpha-Protein ist das patentierte Versorgungsportal, mit dem die automatische Versorgung der Insekten realisiert wird. Darin wird u. a. die Fütterung der Insekten auf einer mit Aufzuchtkisten gestapelten Palette ermöglicht, ohne diese abzustapeln. Sie erlaubt es somit, bestehende Technologien auf dem Markt zu nutzen. Der nächste große Meilenstein in der Entwicklung von Alpha-Protein ist der Aufbau der ersten kommerziellen Produktionsanlage.

Gewinnerin des Bioökonomie-Innovationspreises 2021 des Landes Baden-Württemberg.

Durchwachsene Silphie und Biogasanlage
Energiepark Hahnennest GmbH und OutNature GmbH

Von der Pflanze bis zum Papier – Bioökonomie bis zum Ende gedacht

Die Betreiber einer Biogasanlage und ein Produzent von Faserstoffen und Papieren haben gemeinsam eine neue Wertschöpfungskette vom Feld bis ins Regal etabliert. Unter Anwendung von Wasserdampf und Druck werden aus der Durchwachsenen Silphie hochwertige Fasern für die Herstellung von kreislauffähigen Verpackungen gewonnen. Aus den verbliebenen Pflanzenbestandteilen wird Biogas hergestellt, welches vor Ort in Strom und (Fern-)Wärme umgewandelt und direkt vermarktet wird.

Das innovative Geschäftsmodell ermöglicht ein zusätzliches Einkommen für Landwirtinnen und Landwirte, denn mit den Fasern entsteht am Hof ein marktfähiges Produkt. Zudem zeichnet sich ab, dass die Durchwachsene Silphie im Vergleich zu anderen Energiepflanzen große Vorteile bezüglich Insektenfreundlichkeit und Humusaufbau bietet. Ein weiterer Vorteil ist der geringe Aufwand für die Pflege der mehrjährigen Pflanze, die nach der Etablierung über viele Jahre geerntet werden kann.

Ein schönes Beispiel für Bioökonomie, neue Wertschöpfungsnetze und die Vorteile von Koppel- und Kaskadennutzung sowie die Verbindung von Ökologie und Ökonomie mit technischen und sozialen Fragestellungen.

Gewinnerin des Innovationspreises im Jahr 2020.

Biogasanlage
Agro Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG

Effizienzsteigerung im Ackerbau in Hohenlohe durch Nährstoffrückgewinnung aus Wirtschaftsdüngern

In Kupferzell wurde eine innovative Anlagenkonzeption entwickelt, die Gülle und Festmist nachhaltiger verwertet. Der Landwirt hat seine Biogas-Anlage, die in der ersten Stufe grünen Strom erzeugt, um weitere Stufen erweitert, in denen aus den Gärresten Phosphor, Stickstoff- und Kalidünger sowie organische Bodenverbesserer gewonnen werden.

Diese konzentrierten Düngerprodukte sind transport- und marktfähig und können bedarfsgerecht dosiert werden. Das Projekt wird von der Europäischen Union und dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP AGRI) mit einem Betrag von etwa 1,3 Millionen Euro gefördert. Es zeigt, wie bioökonomische Ansätze zukünftig zu Effizienzsteigerung und Ressourcenschutz in der Landwirtschaft beitragen können.

Gewinnerin des Innovationspreises im Jahr 2020.

Linsenfeld
EIP-Agri-Projekt RhizoLinse

Optimierung der Stickstoffversorgung im Linsenanbau durch Aussaat mit Rhizo-Bakterien

Das gesteigerte Interesse der Kosumentinnen und Konsumenten nach regional angebauten Lebensmitteln mit hohem Proteingehalt lässt alte bewährte Kulturen wiederaufleben. Im Projekt RhizoLinse wird die Möglichkeit untersucht, die natürliche Symbiose beziehungsweise das natürliche Zusammenleben zwischen Linsen und Knöllchenbakterien (Rhizobien) zu verstärken. Diese Bakterien fixieren Stickstoff aus der Luft und stellen daher eine gute Nährstoffversorgung der Pflanzen sicher.

Indem passende Bodenbakterien bereits mit der Aussaat der Linsen ausgebracht werden, bekommen die Linsen gute Startbedingungen für die Ausbildung von Wurzelknöllchen, was sich positiv auf das Wachstum, den Ertrag und die Qualität der Linse auswirkt.
 
Diese Nutzung von biologischem Wissen kann zukünftig zur Wiederbelebung dieser einst traditionellen, ernährungsphysiologisch und ökologisch wertvollen Kultur in Baden-Württemberg beitragen.